Die spinnen, die Finnen!


Kürzlich ging wieder die Königin aller Rallyes zu Ende: Rallyefahrer – soviel sei zur Erklärung hier festgehalten – versuchen, mit speziellen, rund 380 PS starken Boliden so gut wie jeden Untergrund möglichst zügig zu bereisen.

 

WIEN, 2. August 2025. Dafür haben diese Autos so ziemlich alles an Bord, was man dazu brauchen könnte: selbstverständlich Allrad mit Sperrdifferentialen, damit jedes der vier Räder in allen Fahrzuständen erfolgreich am Durchdrehen gehindert werden und somit jedes der zahlreichen Pferdchen erfolgreich in Vortrieb umgesetzt werden kann. Fahrer und Beifahrer sind in eigens angepassten Schalensitzen untergebracht und werden dort mit Sechspunkt-Sicherheitsgurten fixiert, die – ordnungsgemäß angelegt – Normalbürgern schon beim Losrollen Atemnot bescheren würden.

 

Falls mal doch etwas passieren sollte, ist der komplette Innenraum mit einem gitterartig geschweißtem Rohrrahmen versehen, dessen Stahl nicht 100 kg pro Quadratzentimeter Zugfestigkeit bietet, sondern 100 kg pro QuadratMILLImeter!

 

Solcherart gerüstet, lassen sich auch schwerste Unfälle unfallfrei überleben. Vor solch Unbill sind die weltbesten Rallyefahrer durch ihr Talent (und ihre Erfahrung) ohnedies gefeit. Dabei hilft, dass sie sich bei ihrem Tun nicht im normalen Straßenverkehr, sondern auf eigens abgesperrten Strecken – den sogenannten Sonderprüfungen – bewegen. Gegenverkehr ist also so gut wie ausgeschlossen, Geisterfahrer soll es in den letzten Jahren aber schon gegeben haben – allerdings nur einen!

 

In zwölf bis vierzehn Rallye-WM-Läufen rund um den Globus wird jedes Jahr ein Weltmeister gekrönt – und die erfolgreichste Automarke ebenso. Dabei reicht der Bogen von Paraguay bis Monte Carlo, von Estland bis Griechenland. Aber besonders beliebt sind bei Fans und Fahrern nur zwei Länder – Schweden und Finnland. Ersteres Event findet meist im tiefsten Winter statt, zweiteres dafür im Sommer der Nordhalbkugel, dort ist es weniger heiß.

 

In Schweden werden spezielle Spikereifen ausgegeben – das sind Pneus, wo bis zu 300 Nägel aus der Lauffläche herausschauen, damit hat man fast so viel Grip auf dem Eis, das schon vorhanden war, als es das letzte Mal vor ein paar Tagen geschneit hat, als im Sommer. Und in Finnland kommt ein spezielles Streckenprofil zum Tragen: dort sollen in der letzten Eiszeit die Gletscher riesige Wannen in die Landschaft gefräst haben, womit in den lokalen Wäldern vorwiegend geradeaus führende Straßen angelegt wurden. Man will ja auch als Jäger und Sammler zügig im normalen Straßenverkehr von A nach B vorankommen.

 

Das macht Finnland zur High-Speed-Ausgabe im Rallye-WM-Kalender: Auf diesen Schnellfahrstrecken duelliert sich die Rallye-Elite jedes Jahr auf der Suche nach dem Schnellsten und Tapfersten unter ihnen. Ein Anliegen, das auch den Zuschauern am Straßenrand sehr am Herzen liegt. Die erfreuen auch die zahlreichen Sprunghügel, die die Gletscher hinterlassen haben: Dort pflanzen sie Schilder wie bei einer Skisprungschanze in den Auslauf, die Autos der Tapfersten setzen hinter der Sechzig-Meter-Markierung auf.

 

Die spinnen, die Finnen: da gibt es eine Sonderprüfung, da fährt der Schnellste mit 141 km/h Schnitt drüber. Das bedeutet, dass die Tachonadel nicht selten an der 200 km/h-Markierung kratzt. Das bedeutet, dass die ersten Fünf auf manchen Sonderprüfungen im Ziel um lumpige zwei Sekunden auseinander liegen.

 

Heuer gewann ein zweimaliger Weltmeister aus Finnland zum ersten Mal sein Heim-Event: der 25-Jährige ließ dabei nicht nur einen achtfachen Weltmeister aus Frankreich hinter sich, sondern betonierte in der alles entscheidenden letzten Sonderprüfung die Konkurrenz mit einem Zwei-Sekunden-Vorsprung auf den zweitbesten. Zwei Sekunden können so auch einmal eine halbe Ewigkeit sein.

 

Und jetzt dürfen sie raten, wer diesem glücklichsten aller Finnen den wohl verdienten Siegespokal in die Hand drückte:die finnische Umweltministerin!  Warum sie dies tat? Wahrscheinlich weil die Zuschauer zu ihrem Lieblingsplätzen auf den im Schnitt 20 Kilometer langen Sonderprüfungen zu Fuß hin hatschen müssen, an Millionen Bäumen vorbei, die locker das bissl CO2 der paar Rallyeautos aufsaugen wie Küchenkrepp den verschütteten Kaffee vom Opa.

 

Das wäre unserer Gewessler vermutlich nie eingefallen ...

Fürwahr: die spinnen, die Finnen!

da MOTZER😟